31.10.2016 | Nathalie Loscher | Sanders & Kollegen
Wann verjährt Sozialbetrug?
Oft wird Sozialbetrug erst nach langer Zeit entdeckt. Es stellt sich dann stets die Frage der Verjährung. In seltenen Fällen wird Sozialbetrug als bloße Ordnungswidrigkeit gewertet, die eine Rückzahlung der erschlichenen Geldsumme und die Zahlung eines Bußgeldes nach sich zieht. Weitaus häufiger machen sich Betroffene gemäß § 263 StGB strafbar.
Im Strafgesetzbuch gibt es keinen tatbestandlich normierten Sozialbetrug. Als Sozialbetrug gilt vielmehr jeder Betrug, der im Zusammenhang mit sozialen Leistungen begangen wird. Zu nennen sind vor allem Täuschungen bei Anträgen auf Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II (sog. Hartz IV), BAföG, Wohngeld, bei der Grundsicherung oder Rente. Jeder Sozialbetrug ist somit rechtlich wie normaler Betrug im Sinne des § 263 StGB einzuordnen.
Der Tatbestand des § 263 StGB kann sowohl durch positives Handeln als auch durch Unterlassen verwirklicht werden.
Der Betroffene verwirklicht den Tatbestand des Betruges durch positives Handeln, wenn er bei Antragstellung auf Arbeitslosengeld, BAföG oder sonstige Sozialleistungen bewusst falsche Angaben macht und somit eine Täuschung begeht. Erhält der Betroffene aufgrund dieser Täuschung eine Leistung bewilligt, die ihm bei wahrheitsgemäßer Antragsstellung eigentlich nicht zusteht, so liegt vollendeter Sozialbetrug vor.
Versuchter Sozialbetrug liegt dagegen dann vor, wenn die Täuschung vor Bewilligung der Leistung „auffliegt“ und der Antragssteller die gewünschte Sozialleistung demzufolge nicht erhält.
Der Betrugstatbestand des § 263 StGB kann auch durch Unterlassen einer nachträglichen Mitteilung verwirklicht werden. So haben beispielsweise Bezieher von Arbeitslosengeld anzuzeigen, wenn sie eine Arbeitsstelle gefunden haben (1) oder Empfänger von Grundsicherung, wenn sie anderweitig Geldmittel zum Lebensunterhalt erhalten (2). Jede Veränderung der eigenen Verhältnisse muss zwingend mitgeteilt werden. (3)
Zunächst ist zu klären, welche Verjährungsfrist bei Sozialbetrug gilt. Dies hängt vom Strafrahmen der begangenen Straftat ab. Der Strafrahmen des "einfachen" Betrugs beträgt gem. § 263 Abs. 1 StGB Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren. Die Verjährungsfrist hierfür beträgt gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB 5 Jahre. Auch in den Fällen des "schweren" Betrugs im Sinne von § 263 Abs. 3 StGB (also in Fällen, in denen der Täter gewerbsmäßig oder als Bandenmitglied handelt, einen besonders großen Vermögensschaden hervorruft, andere Personen in wirtschaftliche Not bringt, unter Missbrauch einer Amtsstellung handelt oder einen Versicherungsbetrug begeht) bleibt es bei dieser Verjährung von 5 Jahren. Denn gem. § 78 Abs. 4 StGB bleiben Strafandrohungen für besonders schwere Fälle bei der Verjährungsfrist außer Betracht.
Daher ist im Weiteren bei Sozialbetrug von einer Verjährungsfrist von 5 Jahren auszugehen. Diese hat, bezogen auf jede einzelne Tat, gem. § 78a StGB jeweils mit Tatvollendung zu laufen begonnen, also sobald die Tat gänzlich abgeschlossen und der Taterfolg eingetreten ist.
Bei Betrug beginnt die Verjährung nach ständiger Rechtsprechung nicht schon mit dem Zeitpunkt der ersten Vermögensverfügung, sondern erst mit der Erlangung des letzten vom Tatvorsatz umfassten Vermögensvorteils.
Damit beginnt die Verjährung des Sozialbetrugs erst mit Erlangung der letzten Monatsrate des Bewilligungszeitraums.
Beispiel:
22. April 2010: Antrag auf Bewilligung gestellt
Bewilligung genehmigt für den Zeitraum vom 01.05.2010 bis 31.10.2010.
Oktober 2010: Beginn der Verfolgungsverjährung für diesen Betrugsvorwurf
Oktober 2015 (5 Jahre später): Ende der Verfolgungsverjährung für diesen Betrugsvorwurf
Die Unterbrechung der Verjährung regelt § 78c StGB. Soweit einer der in § 78c StGB geregelten Fälle der Unterbrechung der Verjährung vorliegt, beginnt die Verfolgungsverjährung mit dem Tag der Unterbrechungshandlung von neuem.
Spätestens gibt es eine Unterbrechung der Verjährung bei Bekanntgabe, dass gegen den Empfänger der Sozialleistung ermittelt wird.
(1) OLG Köln NJW 1984, 1979.
(2) OLG Stuttgart NJW 1986, 1767; OLG Düsseldorf StV 1991, 520
(3) vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I.
31.10.2016 | Nathalie Loscher | Sanders & Kollegen
Nathalie Loscher
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht